So profitieren große Unternehmen von Agrarsubventionen
#4 – Heute mit einer Recherche von NDR, WDR und Süddeutscher Zeitung
In Latzhose und rotem T-Shirt steht die junge Frau auf einer Wiese, ein junger Mann im Holzfällerhemd küsst ihr das Haar, in der Hand hält sie ein dunkelbraunes Huhn. Im Hintergrund geht die Sonne hinter den Bergen unter. Wenn es um Werbung für ihre Agrarsubventionen geht, ist der Europäischen Union auf ihrer Webseite offenbar kein Klischee zu kitschig.
In der Realität profitieren von dem Steuergeld, das den Zielen der EU-Agrarpolitik zufolge eigentlich Umwelt schützen und Kleinbauern stützen soll, oft Milliardenkonzerne, Investoren und riesige Landwirtschaftsbetriebe. Das zeigt eine exklusive Analyse von NDR, WDR und Süddeutscher Zeitung, die die Agrarsubventionen aller Landwirte in ganz Europa der vergangenen acht Jahre in einer Datenbank ausgewertet hat. Die Daten hatte die Plattform „Frag den Staat“ zusammen mit „Arena for Journalism in Europe“ gesammelt.
Die insgesamt mehr als 450 Milliarden Euro machen mehr als ein Drittel des EU-Budgets in diesem Zeitraum aus und sind nun erstmals öffentlich und durchsuchbar. Im Rahmen des begleitenden Recherche-Projektes „Farmsubsidies“ haben Journalistinnen und Journalisten aus acht Ländern nun umfassend ausgewertet, wer besonders viele Subventionen bekommen hat – und welche Probleme das mit sich bringt.
Ihr lieben Recherche-Interessierten:
Heute gibt es eine kleine Sonderausgabe, denn ich war selbst an einer Rercherche beteiligt, die vor drei Stunden online gegangen ist. Wir haben die Agrarsubventionen der EU ausgewertet, gemeinsam mit Partnern aus Italien, Luxemburg, Polen, Griechenland, Österreich, Portugal und den Niederlanden.
Die Agrarsubventionen der EU werden seit Jahrzehnten kritisiert, einiges ist bekannt. Trotzdem fand ich den Blick auf die gesamten Zahlungen, die umfassende Datenauswertung spannend.
Durchschnittlich erhielten die deutschen Landwirte in den vergangenen acht Jahren zum Beispiel insgesamt 127 000 Euro. Doch die Schere geht weit auseinander: Das eine Prozent der Empfänger, das das meiste Geld erhalten hat, bekam in Summe fast ein Viertel aller Subventionen – also mehr als zwölf Milliarden Euro, im Schnitt knapp 30 000 Euro pro Betrieb im Monat.
Die vielen kleinen landwirtschaftlichen Betriebe, die zusammen die weniger gut verdienende Hälfte ausmachen, kommen insgesamt dagegen auf weniger als vier Milliarden Euro – gerade einmal 200 Euro pro Betrieb im Monat.
Und auch aus der europäischen Perspektive: So bekommen in Polen etwa mehr als 2600 katholische Gemeinden EU-Agrarsubventionen, in Griechenland profitiert der Premierminister, in Österreich vor allem Adlige.
Die Datenbank ist seit heute um 18 Uhr online zugänglich: farmsubsidy.org.
Ich habe mich neben der Übersicht gemeinsam mit der WDR-Kollegin Sarah Wippermann vor allem mit Tierquälern beschäftigt. Die Tierschutzorganisationen SOKO Tierschutz, Tierretter e.V., Deutsches Tierschutzbüro, ARIWA und PETA haben uns eine Liste mit weit mehr als 100 Fällen von Tierquälerei zur Verfügung gestellt. All diese Fälle haben wir mit der Subventions-Datenbank abgeglichen.
Das Ergebnis: Mehr als 50 Landwirte und Firmen, die glaubhaft belegt wegen Tierquälerei öffentlich aufgefallen sind, haben in den Folgejahren von der Europäischen Union weiterhin Agrarsubventionen erhalten. Und: Das Problem ist strukturell, zeigen unsere Recherchen.
Hier geht’s zur Übersicht über die „Farmsubsidies“-Recherche bei Tagesschau.de.
Hier geht’s zur Tierschutz-Recherche bei Tagesschau.de
Hier geht’s zur Übersicht bei der Süddeutschen Zeitung.
Hier geht’s zur Tierquäler-Recherche bei der Süddeutschen Zeitung.
Hier geht’s zum Interview mit dem Europa-Abgeordneten Martin Häusling.
Hier geht’s zu den Hintergründen der EU-Agrarsubventionen.
Und hier geht’s zu allen Veröffentlichungen der nationalen und internationalen Partner.
Bald gibt’s die nächste reguläre Ausgabe meines Recherchebriefs. Habt Ihr in den vergangenen Tagen und Wochen gute Recherchen gesehen, die ich kennen und hier in den kommenden Tagen empfehlen sollte? Über Empfehlungen in den Kommentaren oder an daniel.drepper@proton.me freue ich mich.
Alles Gute und bis zum nächsten Recherchebrief
Daniel