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Exklusiv: Das Krebskartell und die Milliardenverschwendung
#21 – Heute mit: Einer neuen Doku/Recherche von NDR, WDR, SZ und Monitor
Apotheker können mit einer einzigen Krebs-Infusion in wenigen Minuten bis zu eintausend Euro extra verdienen. Interne Preislisten von Pharmahändlern, die WDR, NDR, Süddeutscher Zeitung und dem ARD-Magazin Monitor vorliegen, zeigen enorme Verdienstmöglichkeiten. Den gesetzlichen Krankenversicherungen könnte dadurch ein Schaden von jährlich bis zu 500 Millionen Euro entstanden sein.
Die internen Listen, die meinen Kollegen und mir von mehreren Großhändlern über mehrere Jahre vorliegen, sind fast 20 Seiten lang. In kleiner Schrift sind die Preise für fast tausend Krebs-Medikamente notiert. Fein säuberlich ist für jedes Medikament eingetragen: Die Erstattung der Krankenkasse für das Medikament, dazu der echte, oft sehr viel niedrigere Preis des Großhändlers – und der Zusatzverdienst, den Apotheker dadurch auf Kosten der Beitragszahler machen können.
Das gilt für Chemotherapien wie für weitere Infusionen gegen Krebs. Zum Beispiel mit dem monoklonalen Antikörper Bevacizumab, einem der derzeit am häufigsten verwendeten Wirkstoffe für an Krebs erkrankte Menschen: Im vergangenen Jahr zahlten die Kassen für eine Packung 1109 Euro an den Apotheker, beim Großhandel konnte der die Packung jedoch für 360 Euro einkaufen. Sprich: an jeder Packung des Wirkstoffs kann der Apotheker 749 Euro extra verdienen.
Nur rund 300 Apotheken bundesweit haben einen eigenen Reinraum und mischen diese Therapien zusammen. Das Mischen selbst dauert nur wenige Minuten und für die Herstellung bekommen die Apotheker von den Krankenkassen eine Pauschale von 100 Euro pro Beutel. Den oft größeren Gewinn machen die Apotheker also auf andere Art und Weise.
Wir haben die Ausgaben der Krankenkassen mit den tatsächlichen Einkaufspreisen auf den Preislisten der Großhändler verglichen. Allein bei den fünf umsatzstärksten Wirkstoffen, deren Patentschutz abgelaufen ist, hätten die Kassen demnach zuletzt pro Jahr bis zu 500 Millionen Euro einsparen können. Die Mehrausgaben landen Jahr für Jahr bei den rund 300 Krebs-Apothekern.
Ihr lieben Recherche-Interessierten:
Im vergangenen Jahr kam mein Kollege Markus Grill mit dem Kern einer Recherche auf mich zu, die uns seitdem viele Monate beschäftigt hat. Markus ist seit Jahren der beste Journalist in Deutschland, wenn es um Korruption und Verschwendung im Gesundheitswesen geht. Er hat zahlreiche Skandale aufgedeckt, von Verschwendung bei Kontrastmitteln über Maskendeals bis hin zu Corona-Tests.
Vor gut zehn Jahren schrieb er – damals noch für den Spiegel – schon einmal über die hohen Preise bei Krebsmedikamenten. Auch deshalb wandte sich ein Apotheker aus Sachsen jetzt an Markus. Der Apotheker mischt selbst seit Jahren Krebsmedikamente an und verdient gut daran, aber er hat längst genug von der Verschwendung. Sein Name ist Robert Herold.
Gemeinsam mit Markus traf ich Herold zum ersten Mal im vergangenen Herbst in Falkenstein, kurz vor der tschechischen Grenze, in seiner Apotheke. Herold war ein Glücksfall für uns. Er wollte nicht nur seine Geschichte erzählen, mit vollem Namen und vor der Kamera – er hatte auch Zugang zu zahlreichen Preislisten. Und er konnte zeigen, dass er die Verschwendung seit Jahren anmahnt – bei seinen Apotheker-Kolleg*innen und bei den Krankenkassen. Erfolglos. Herold sagt, er habe jahrelang gegen Windmühlen gekämpft. Deshalb sei ihm keine andere Möglichkeit geblieben, als an die Öffentlichkeit zu gehen.
Seitdem haben Markus und ich gemeinsam mit dem WDR-Autoren Peter Onneken und unserem SZ-Kollegen Christoph Cadenbach zahlreiche Beteiligte gesprochen, haben die Listen verifiziert, weitere Quellen aufgetan, Medikamente bestellt, Betroffene gesprochen sowie Krankenkassen und Gesundheitsminister Karl Lauterbach konfrontiert.
Seit heute Morgen ist die Recherche bei der Tagesschau und der Süddeutschen Zeitung online, wir berichten im Radio und im TV darüber. Heute Abend läuft um 21.45 Uhr eine halbstündige Doku in der ARD. Vielen Dank an alle, die uns dabei unterstützt haben in den vergangen Wochen und Monaten.
Die SZ-Reportage: Das Krebskartell – Die dunklen Geschäfte mit Chemo-Medikamenten
Die Monitor-Doku in der ARD-Mediathek: Das Krebskartell – Milliardengeschäft mit Chemotherapien
Der Tagesschau-Text: Milliarden-Verschwendung bei Krebsmedikamenten
Unser Text über Whistleblower Robert Herold: „Ich habe Angst, als Nestbeschmutzer dazustehen“
In den kommenden Tagen und Wochen könnten noch weitere Veröffentlichungen folgen.
Vielen Dank an dieser Stelle natürlich vor allem an Robert Herold. Ohne ihn wäre diese Recherche nicht möglich gewesen. Er hat dafür gesorgt, dass wir eine Milliardenverschwendung aufdecken können, die jetzt – glaubt man dem Gesundheitsminister – auch politische Konsequenzen haben könnte.
Wer sich wie Herold an uns wenden möchte mit Informationen – egal ob das am Ende offen oder anonym geschieht – der kann sich gerne vertraulich für einen ersten Austausch im Hintergrund an meine Kolleg*innen und mich wenden. Hier habe ich zusammengetragen, wie das geht und was dann passieren kann.
Falls Ihr in den kommenden Tagen gute Recherchen lest, hört, schaut – egal ob lokal, national oder international: schreibt sie mir hier in die Kommentare oder schickt sie mir an daniel.drepper@proton.me.
Alles Gute und bis zum nächsten Recherchebrief
Daniel
Exklusiv: Das Krebskartell und die Milliardenverschwendung
Wieder einmal eine sensationelle Arbeit. Danke dafuer!